Was geschieht in Myanmar?

Landkarte von Myanmar

Dieser Beitrag gehört zu einer losen Reihe, in der sich Aktive der Bochumer Amnesty-Gruppe mit Themen außerhalb der derzeitigen Gruppenarbeit auseinandersetzen. Ein Gastbeitrag von Celine Schmitt.


Mehr als 100 Tage nach dem Militärputsch in Myanmar sind mindestens 782 Menschen in Verbindung mit dem brutalen Vorgehen der Militärjunta ums Leben gekommen (Stand 11.05.2021). Die Festsetzung von mindestens 3740 Menschen sowie das Verhängen von 25 Todesurteilen (20 davon in Abwesenheit der Angeklagten), alarmieren Menschenrechtsschützer und verlangen nach einem Handeln der internationalen Staatengemeinschaft.

Trotz Versammlungsverbot und Ausgangssperre haben sich die Demonstranten mit ihrer legitim gewählten Regierung solidarisiert und protestieren nun seit dem ersten Tag des Militärputsches, um die Grundprämissen der Demokratie einzufordern. Dem entgegnet die Militärjunta wiederholt mit der Missachtung der Menschenrechte, der Rechtsstaatlichkeit und gefährdet somit den Frieden innerhalb des südostasiatischen Landes. Die zunehmende Destabilisierung durch die brutale Niederschlagung der Proteste kann laut UN und anderen Menschenrechtsorganisationen in einen Bürgerkrieg umschlagen.

Für all dies ist der ausschlaggebende Punkt, dass die Bevölkerung lediglich die von ihnen gewählte und auch durch die Wahlkommission legitimierte demokratische Regierung an der Spitze ihres Landes sehen möchte.

An dieser Stelle muss nochmal kurz betont werden, dass auch zuvor schon die Menschenrechtslage in Myanmar von ExpertInnen als unbeständig eingestuft wurde. Hierbei ist besonders zu berücksichtigen, dass bereits 2016/2017, durch das Militär Menschenrechtsverletzungen an der Minderheit der Rohingya begangen wurden. Laut den Vereinten Nationen wurden diese Handlungen als ethnische Säuberungen und Völkermorde eingestuft. Da jedoch die myanmarische Menschenrechtskommission der Regierung sehr nahe stehe, wurden dementsprechend keine Unternehmungen bezüglich dieser Straftaten unternommen. Die Friedensnobelpreisträgerin und aktuell rechtmäßige Regierungschefin Aung San Suu Kyi geriet aus diesem Grund international unter Kritik. Nichtsdestotrotz erkennt die Bevölkerung Myanmars, die vom Militär unter Hausarrest gesetzte Parteichefin der National Democratic League, als ihre einzige rechtmäßig gewählte Opposition gegen das autoritäre Militär an.

Im Zuge der Demonstrationen kommt es in Myanmar auch aufgrund vage formulierter Regierungsgesetze zur vermehrten Verletzung ziviler Rechte. So wird beispielsweise die absolute Überwachung der Medien ermöglicht. Bemerkbar macht sich dies durch den regelmäßigen Shutdown des Internets und durch die Sperrung Facebooks. Hierbei ist wichtig zu betonen, dass Facebook der zivilen Friedensbewegung Myanmars als Medium dient sich zu mobilisieren und sich gegenseitig zu informieren.

Generell führt die „[…] Präferenz für militärische Lösungen für politische Probleme […] [zu] verheerende[n] humanitären Auswirkungen und schwerwiegende[n] Auswirkungen auf die Menschenrechte“ (Bünte, 2021, S.9)

Die aktuelle und in der Vergangenheit regelmäßige Blockierung der Demokratisierung des Landes durch die einflussreiche Militärjunta führte zur politischen und kulturellen Aberkennung der Automonie ethnischer Minderheiten wie der Rohingya und setzt sich mit der Missachtung der Volkssouveränität und dem Ersticken ziviler Freiheiten durch das brutale Vorgehen des Militärs fort. So kommt es beispielsweise immer wieder zur Inhaftierung oder Einschüchterung von Journalisten, die sich negativ der Regierung gegenüber äußern.

Gerade weil die Bevölkerung Myanmars seit mehr als 60 Jahren von der Herrschaft des Militärs geprägt ist und bereits in der Vergangenheit bei Demonstrationen in Folge von vorherigen Militärputschen gewaltsam unterdrückt wurde, wehren die Bürger sich nun auf den Ihnen möglichen Wegen, unter der stetigen Gefahr, ihr Leben zu riskieren. Es zeichnet sich also vermehrt ab, dass dringende Unternehmungen gegen die Verletzung der Menschen- und Zivilrechte in Myanmar nötig sind.

Wie kam es überhaupt zum Militärputsch?

Mit Blick auf die Historie des südostasiatischen Landes lässt sich feststellen, dass Myanmar nun seit mehr als 60 Jahren von der Herrschaft des Militärs geprägt ist. Das Militär in Myanmar hatte bereits 1990 die Machtübernahme der demokratisch gewählten Regierung der National League of Democracy, deren Führung die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi war, anhand eines Militärputsches blockiert. Dieses verfolgte das Ziel, die Kontrolle über die zivile Bevölkerung zu behalten, ethnische Minderheiten, die bis zu 30% der Bevölkerung ausmachen, zu unterdrücken und die Privilegien der Militärsfamilien und der regierenden Militärs zu wahren. Im Jahre 2008 verzeichnete das Regime schließlich einen demokratischen Übergang, indem eine neue Verfassung verabschiedet wurde, welche dem Staat den ‚Schein‘ der Demokratisierung zusicherte. De facto sicherte das Militär jedoch seinen Einfluss, indem es vorschrieb, mindestens 25% der Parlamentssitze dauerhaft einzunehmen, sodass Verfassungsänderungen nicht ohne deren Zustimmung möglich waren. Hinzukommend besaß das Militär nun ein Veto-Recht und verabschiedete ein Gesetz, das Aung San Suu Kyi das PräsidentInnenamt bis heute verwehrt. Die Partei NLD gewann 2015 die Wahlen und die Friedennobelpreisträgerin nahm daraufhin das Amt zur Staatsrätin als rechtlich legitimierte Staatschefin des Landes ein. Auch wenn Aung San Suu Kyi nach der militärischen Verfolgung der Rohingya Minderheit unter zunehmende internationale Kritik geriet, fand sie im Jahr 2020 noch große Unterstützung innerhalb der Bevölkerung Myanmars. Nach erneuten Wahlen im November 2020 gewann die NLD die absolute Mehrheit, woraufhin das Militär nun im Februar 2021 die Behauptung des Wahlbetruges aufstellte, obwohl dies von der Wahlkommission am 28.01.2021 zurückgewiesen wurde. Aktuell befindet sich das Land für das folgende Jahr in einem, durch das Militär deklarierten Notzustand. Auch wenn neue Wahlen geplant sind, lässt sich ein wiederkehrendes Muster der Militärputsche erkennen. (Charney, 2021).

 

Quellen:

Amnesty International zu Myanmar: