Iran-Filmreihe: Jin, Jiyan, Azadî

In Kooperation mit dem Endstation Kino und Solmaz Gholami

“Je mehr sie mich bestrafen, je mehr sie mir wegnehmen, desto mehr werde ich kämpfen, bis wir Demokratie und Freiheit erreicht haben.” (Friedensnobelpreisträgerin Narges Mohammadi 2023)

Im Herbst 2022 wurde die iranische Kurdin Jina Mahsa Amini wegen eines angeblichen Verstoßes gegen Bekleidungsvorschriften von der iranischen Sittenpolizei festgenommen und verstarb kurz darauf im Polizeigewahrsam. An ihrem gewaltsamen Tod entzündeten sich die bislang umfassendsten Proteste gegen das iranische Regime seit dessen Machtantritt im Jahre 1979. Unter der Parole Jin, Jiyan, Azadî – Frau, Leben, Freiheit – protestierten erstmals alle sozialen und ethnischen Bevölkerungsgruppen gemeinsam und ließen eine Revolution in Reichweite erscheinen. Das Regime reagierte mit ungezügelter Brutalität: mit Schüssen auf Demonstranten, willkürlichen Festnahmen, massivem Einsatz von Folter und Vergewaltigung zur Bestrafung und Abschreckung, militärischer Gewalt gegen als Widerstandsnester empfundene kurdische Städte, sowie hunderten Hinrichtungen nach grob unfairen Scheinprozessen gelang dem Regime schließlich die Niederschlagung der Proteste.

Im zweiten Jahr nach dem Tod Jina Mahsa Amini werfen wir mit unserer Filmreihe von April bis Dezember einen detaillierten Blick auf den Iran. Anhand von acht ausgezeichneten Spielfilmen und Dokumentationen sowie in Filmgesprächen möchten wir erkunden, was zu den Protesten geführt hat, wie die Lebensrealität im Iran – insbesondere für Frauen – ist und welche Perspektiven es für die Zukunft des Iran gibt.

Mit unserer Filmreihe möchten wir uns außerdem solidarisch mit den vielen mutigen Menschen im Iran wie auch im Exil zeigen, die trotz scharfer Repression noch immer für Menschenrechte und Demokratie kämpfen. Für sie kann öffentliche Aufmerksamkeit ein wirksamer Schutz sein, umso mehr jetzt, wo die Proteste aus den Medien verschwunden sind.

Und nichtzuletzt handelt es sich bei den Beiträgen unserer Reihe auch schlicht um qualitativ gute Filme. Filme, die wir selbst schon immer oder nochmals sehen wollten. Filme, die unser Leben mit neuen Perspektiven bereichern. Filme, von denken wir denken, dass sie – ganz unabhängig von politischem Engagement – sehenswert sind.

Daher: Nicht verpassen!

In Kooperation mit dem Endstation Kino Bochum und der iranischen Filmemacherin Solmaz Gholami. Gholami studierte an der Islamischen Azad-Universität in Teheran Theaterwissenschaften, emegrierte 2016 nach Deutschland und promovierte dort unter dem Titel “Frauen Leben Freiheit: audiovisuelle Medien im Kontext sozialer Bewegungen im Iran in Gender Studies – Kultur, Kommunikation, Gesellschaft” an der Ruhr-Universität Bochum. Seit 2022 ist sie an der dortigen Fakultät der Medienwissenschaften auch als Lehrbeauftragte tätig.

Unterschreibe auch unsere Petitionen zu Iran: www.amnesty.de/jina


24. April – Taxi Teheran (2015)
Ein Taxi fährt durch die lebhaften Straßen Teherans. Die wechselnden Fahrgäste erzählen freimütig, was sie umtreibt: ein Filmschmuggler vertickt die neueste Staffel von The Walking Dead und Filme von Woody Allen, zwei alte Frauen wollen Goldfische in einer Quelle aussetzen und ein vorlautes kleines Mädchen erklärt ihren Anspruch auf Frappuccino und ihre Nöte beim Verwirklichen eines Kurzfilmprojekts für die Schule. Am Steuer sitzt der Regisseur selbst, der 2010 wegen „Propaganda gegen das System“ zu einem 20-jährigen Berufsverbot verurteilt wurde, und nun geheimnisvoll lächelnd einen neuen Film kreiert. Denn eine auf dem Armaturenbrett versteckte Kamera hält alles fest…

22. Mai – Nilas Traum im Garten Eden (2024)
Leyla und ihre sechsjährige Tochter Nila leben in der Heiligen Stadt Mashhad im Iran. Nila ist das Ergebnis einer Zeitehe, die es einem Mann erlaubt, mit einer Frau die Ehe einzugehen, auch wenn er bereits verheiratet ist. Kinder, die aus einer solchen Beziehung hervorgehen, sind rechtlich nicht existent. Solange der Vater das Kind nicht anerkennt, kann keine Geburtsurkunde ausgestellt werden, und Nila kann keine Schule besuchen. Der Dokumentarfilm schildert Leylas unermüdliche Bemühungen, Nilas Rechtsstatus zu klären, um ihr eine Perspektive für ihre Zukunft zu bieten. In einer nicht enden wollenden bürokratische Auseinandersetzung kämpft Leyla nicht nur gegen das Rechtssystem, sondern auch gegen eine verurteilende Gesellschaft. Regisseurin Niloufar Taghizadeh hat diesen Film über drei Jahre zum Teil undercover gedreht, um die Geschichte von Nila und damit unzähligen undokumentierten Kindern im Iran zu erzählen, deren Existenz verleugnet wird.

26. Juni – Weiße Folter (2021)
Narges Mohammadi ist eine der wichtigsten Menschenrechtsverteidigerinnen in Iran. Für ihre Arbeit wird sie seit 1998 immer wieder willkürlich vom Regime der Islamischen Republik Iran inhaftiert – doch sie kämpft weiter. Während einer Haftpause hat sie den eindrucksvollen Dokumentarfilm „White Torture“ gedreht, der auf Interviews mit ehemaligen Gefangenen basiert, die dieser Art von Folter ausgesetzt wurden. Vier weiße Wände, kein natürliches Licht, kein Ton und kein menschlicher Kontakt. Eine hochwirksame Methode, die auf die Psyche der Opfer abzielt und keine äußerlichen Spuren hinterlässt. Nach ein paar Monaten werden viele es vorziehen, jedes Verbrechen zu gestehen, auch wenn das die Hinrichtung bedeutet. Der Film legt ein beeindruckendes Zeugnis darüber ab, wie die Situation für Personen, die sich im Iran für LGBTQIA+, Frauen- und Menschenrechte einsetzen, aussieht. 

28. August – Shahid / Märtyrer (2024)
Ein aberwitziges Werk zwischen Realität und Fiktion, Theater und Musical. Die Regisseurin Narges Shahid Kalhor lässt sich von einer Schauspielerin verkörpern. Das „Shahid“ (Märtyrer) in ihrem Familiennamen möchte sie tilgen, die Namensänderung wird zur Mission. Da taucht ihr heldenhafter Urgroßvater auf, der vor 100 Jahren im Iran zum Märtyrer ernannt wurde und seinen Nachkommen diesen Namen beschert hat. Er versucht, die Urenkelin von ihrem Plan abzubringen, und begleitet ihre Wege nun mit seinen tanzenden Kumpels. Das bayerische Kreisverwaltungsreferat aber schickt die Protagonistin zum Psychologen, ebenfalls mit schwierigem Namen …  Alle scheitern: die Regisseurin an der Bürokratie, die Schauspielerin an den Anforderungen der Regisseurin, der Urgroßvater am Willen der Enkelin und der Film an sich selbst. Der Wind der Geschichte weht sie in immer neuen Schleifen durch die deutsche Kulissenstadt, durch den eigenen Filmdreh, in dem Zuschreibungen und Privilegien performativ, fabulierend und dokumentarisch mit immensem Spaß durchgeschüttelt werden. Doppelbödig und autofiktional, mit Bilderbögen, Liedern und Gedichten: eine tragikomische, widerständige Selbstermächtigung im Exil.                                

25. September – Träume haben keinen Duft (2023)
Der Film zeigt eindrucksvoll den Einsatz der iranischen Bevölkerung im Kampf für Freiheit, Gerechtigkeit und Menschenrechte in der großen Protestbewegung „Frau Leben Freiheit”. In fünf Episoden – Hören, Sehen, Fühlen, Schmecken und Riechen – versucht er, das Publikum mit den verborgenen Realitäten und Komplexitäten dieser sozialen Bewegungen vertraut zu machen. Mit einer tiefgründigen Erzählung und lebendigen Bildern von den Bemühungen der Menschen, positive Veränderungen im Land herbeizuführen, verdeutlicht er, wie eine allgegenwärtige Stimmung zur Hoffnung auf Veränderung wird. „Träume haben keinen Duft” greift eine transformative und inspirierende Erfahrung auf, die alle ansprechen wird, die sehen möchten, wie soziale Veränderungen entstehen.

23. Oktober – Raving Iran (2016)
Die beiden Freunde Anoosh und Arash gehen mit Herzblut ihrer Leidenschaft nach und legen erfolgreich Techno-Musik auf. Es gibt nur einen Haken an der Sache – sie leben im Iran. Und deshalb müssen sie Tag für Tag harte Strafen seitens des streng islamischen Regimes fürchten. Als auch noch Anoosh verhaftet wird, scheint es vorbei zu sein mit der Karriere. Doch eines Tages werden sie vom größten Techno-Festival der Welt in die Schweiz eingeladen und überraschenderweise erhalten sie dafür ein Ausreisevisum. Dort bekommen sie durch Interviews, Millionen Raver und andere DJs einen Eindruck davon, wie sich ein verwirklichter Traum anfühlen würde. Doch als ihr Visum abläuft, stehen sie vor der größten Entscheidung ihres Lebens: Sollen sie in ihre Heimat zurückkehren oder für immer in Europa bleiben?

28. November – Teheran Tabu (2017)
Die Lebenswege dreier selbstbewusster Frauen und eines jungen Musikers kreuzen sich in der schizophrenen Welt der iranischen Hauptstadt Teheran. Sex, Korruption, Drogen und Prostitution gehen in dieser brodelnden Metropole einher mit strengen religiösen Gesetzen. Das Umgehen von Verboten wird zum Alltagssport und der Tabubruch zur individuellen Selbstverwirklichung. Gedreht im Rotoskopie-Verfahren mit echten SchauspielerInnen, gelang Ali Soozandeh ein aufwühlendes und realistisches Drama um vier junge Menschen in Teheran, deren Schicksale bei ihrer verzweifelten Suche nach Freiheit und Glück aufeinanderprallen.

18. Dezember – Orca (2021)
Der Film folgt Elham, einer Frau, die einen entsetzlichen Angriff ihres geschiedenen Mannes überlebt und als Ausdauerschwimmerin Trost findet. Sie überwindet alle politischen und religiösen Hürden, um mit gefesselten Händen so weit zu schwimmen, wie es noch niemand getan hat. Auf diese Weise hat sie dazu beigetragen, die Aufmerksamkeit auf die Herausforderungen zu lenken, mit denen die iranischen Sportlerinnen konfrontiert sind, die sich nach der Möglichkeit sehnen, in allen Sportarten antreten zu können. Für viele ist Elhams Weg zum Symbol für die Bewegung für die Rechte der Frauen im Iran geworden.


Alle Veranstaltungen finden jeweils um 18 Uhr im Endstation Kino statt. Anschließend findet ein Filmgespräch statt und es besteht Gelegenheit zum Austausch.
Eintritt: 10,00 €, ermäßigt 8,50 €. Wenn Sie keinen Eintritt zahlen können, wenden Sie sich gerne Vorfeld an info@amnesty-bochum.de – wir finden eine Lösung.