Filmreihe: Frauen*rechte in Iran & Afghanistan

Auf den ersten Blick erscheint die Situation im Iran und Afghanistan gleichermaßen hoffnungslos: auf die beispiellosen Proteste nach der Ermordung von Jina Mahsa Amini durch die iranische Sittenpolizei folgte die brutale Niederschlagung und eine bis heute anhaltende Hinrichtungswelle, und seit der Übernahme Kabuls setzen die Taliban auf immer extremere Unterdrückung von Frauen, mit dem offensichtlichen Ziel, sie gänzlich aus dem öffentlichen Leben zu verdrängen. Und doch lebt in beiden Ländern die Frauenbewegung und der Widerstand gegen die Unterdrückung weiter fort: mal leise im privaten, mal erstaunlich furchtlos und offen.

Mit einer Filmreihe von Mai bis Juli wollen wir einen Blick auf die Lage der Menschenrechte in diesen beiden Ländern werfen und uns dabei insbesondere die Situation von FLINTA* (Frauen, Lesben, Intergeschlechtliche, Nichtbinäre, Transgeschlechtliche und Agender Personen) betrachten.

Die Filme werden jeweils um 18:00 Uhr im Endstation Kino in Bochum-Langendreer gezeigt, anschließend findet ein Filmgespräch mit verschiedenen Gästen statt. Der Eintritt ist frei.

Die Filmreihe ist eingebettet in ein Seminar der Bochumer Filmemacherin und Drehbuchautorin Solmaz Gholami, die an der Ruhr-Universität Bochum im Fachbereich Gender Studies und Medienwissenschaft zum Thema „Die Rolle audiovisueller Medien in der Gerechtigkeitsbewegung (Dadkhahi) iranischer Mütter nach der Islamischen Revolution“ promoviert. Solmaz Gholami studierte an der Islamischen Azad-Universität in Teheran Theaterwissenschaften und emigrierte 2016 nach Deutschland. Zu ihren filmischen Arbeiten zählt u.a. der Dokumentarfilm „Träume haben keinen Duft“, der den Einsatz der iranischen Bevölkerung im Kampf für Freiheit, Gerechtigkeit und Menschenrechte in der großen Protestbewegung „Frau Leben Freiheit” zeigt.

Hintergrundinformationen

Iran

Im Herbst 2022 wurde die iranische Kurdin Jina Mahsa Amini wegen eines angeblichen Verstoßes gegen Bekleidungsvorschriften von der iranischen Sittenpolizei festgenommen und verstarb kurz darauf im Polizeigewahrsam. An ihrem gewaltsamen Tod entzündeten sich die bislang umfassendsten Proteste gegen das iranische Regime seit dessen Machtantritt im Jahre 1979. Unter der Parole Jin, Jiyan, Azadî – Frau, Leben, Freiheit – protestierten erstmals alle sozialen und ethnischen Bevölkerungsgruppen gemeinsam und ließen den Sturz der Islamischen Republik in Reichweite erscheinen. Das Regime reagierte mit ungezügelter Brutalität: mit Schüssen auf Demonstranten, willkürlichen Festnahmen, massivem Einsatz von Folter und Vergewaltigung zur Bestrafung und Abschreckung, militärischer Gewalt gegen als Widerstandsnester empfundene kurdische Städte, sowie hunderten Hinrichtungen nach grob unfairen Scheinprozessen gelang dem Regime schließlich die Niederschlagung der Proteste.

Der Amnesty-Bericht zur Todesstrafe 2024 führt mindestens 972 Hinrichtungen im Iran auf, eine erneute Steigerung gegenüber dem Vorjahr. “Insbesondere in Iran und in Saudi-Arabien wird die Todesstrafe eingesetzt, um all jene mundtot zu machen, die mutig genug sind, ihre Meinung zu sagen”, berichtete Julia Duchrow, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, bei der Vorstellung des Reports. Ein Ende ist nicht in Sicht, wie unsere aktuellen Eilpetitionen (Urgent Actions) zeigen:

Neben Hinrichtungen setzt das Regime auch Zwangsamputationen ein, wie etwa im Fall der drei Gefangenen Hadi Rostami, Mehdi Shahivand und Mehdi Sharfian.

Trotz allem ist die Frauenbewegung nicht gebrochen: “Frau Leben Freiheit” hat das Selbstbewusstsein und Verhalten von Frauen im Iran nachhaltig verändert. Trotz aller Repression und enormen persönlichen Risiko sieht man Frauen ohne Kopftuch im Straßenbild, Freiräume werden geschaffen und erweitert, rote Linien werden ausprobiert und verschoben.

Während die bisherige wie auch die voraussichtlich zukünftige deutsche Regierung sich vorgeblich mit den “Frau Leben Freiheit” Protesten solidarisiert und Unterstützung für Menschenrechtsverteidiger*innen und vor allem Frauen zusagt, schiebt Deutschland weiterhin Menschen in den Iran ab und lehnt eine Fortsetzung des früheren Abschiebestopps trotz der desaströsen Menschenrechtslage ab. Amnesty International kritisiert den Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD aus zahlreichen Gründen als menschenrechtliches Armutszeugnis.

Afghanistan

Seit der Machtübernahme der radikal-islamistischen Taliban im August 2021 sind zahllose Afghan*innen schwersten Repressalien ausgesetzt. Die Recherchen von Amnesty International zeigen, wie unter der Taliban-Herrschaft Minderheiten verfolgt, friedliche Proteste gewaltsam niedergeschlagen und Frauen schonungslos in allen Lebenbereichen unterdrückt werden.

Das Taliban-Regime setzt öffentliche Hinrichtungen und Körperstrafen wie Auspeitschungen und Steinigungen ein, um unter der afghanischen Bevölkerung Angst und Schrecken zu verbreiten. Die Meinungsfreiheit wurde immer weiter ausgehöhlt, und Menschen, die friedlich Kritik an den Taliban übten, mussten damit rechnen, willkürlich festgenommen, rechtswidrig inhaftiert, gefoltert, misshandelt oder Opfer des Verschwindenlassens zu werden. Es herrschte weiterhin eine Kultur der Straflosigkeit, auch für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit wurde von den Taliban noch weiter eingeschränkt. Ethnische Gruppen, einschließlich religiöser Minderheiten, waren zunehmend mit Ausgrenzung, Vorurteilen und rechtswidrigen Zwangsräumungen konfrontiert. Zugleich verschärft sich die humanitäre Krise auch durch den starken Einbruch der Wirtschaft des Landes weiter.

Offenbar mit dem Ziel, Frauen und Mädchen gänzlich aus dem öffentlichen Leben zu verdrängen, schränkten die Taliban deren Rechte noch weiter ein. Internationale Stimmen sahen in dieser geschlechtsspezifischen Verfolgung ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit und forderten entsprechende Untersuchungen. Unsere Recherchen zeigen zudem, dass die Anzahl der Kinderehen, Früh- und Zwangsverheiratungen im Land unter der Herrschaft der Taliban immer stärker ansteigen.

Die Bundesregierung hatte im Oktober 2022 das Bundesaufnahmeprogramm für Afghanistan (BAP) gestartet mit dem Ziel, Menschen und ihre Angehörigen, die nach der Machtergreifung der Taliban besonders gefährdet sind, die Aufnahme in Deutschland zu ermöglichen. Das Programm blieb aber von Beginn an wegen hoher bürokratischer Hürden weit hinter dem Geplanten und noch weiter hinter dem Notwendigen zurück und soll nun endgültig beendet werden.

Dies geschieht auch vor dem Hintergrund einer Diskursverschiebung, die Afghanen spätestens seit dem Anschlag in Solingen generell als Gefahr darstellt. Medienschaffende und Politiker*innen instrumentalisieren die Terrorangriffe, indem sie ganze Bevölkerungsgruppen für die Taten Einzelner verantwortlich machen. So wird die Einreise von Menschen, die selbst vor der Terrorherrschaft der Taliban fliehen und über das Bundesaufnahmeprogramm intensiv geprüft wurden, entgegen aller Vernunft zu einer Gefahr für die deutsche Sicherheit erklärt.

2024 begann die Bundesregierung im Wahlkampf, Abschiebungen nach Afghanistan wieder aufzunehmen. Dies soll zunächst nur sogenannte “Gefährder” betreffen, was jedoch nichts daran ändert, dass es sich um einen klaren Verstoß gegen völkerrechtliche Verpflichtungen handelt: Menschenrechte kann man nicht verwirken, daher darf niemand in ein Land abgeschoben werden, wo Folter droht. Es ist alarmierend, dass sich die Bundesregierung über diese Verpflichtungen hinwegsetzt und zur Komplizin der Taliban macht, denn Abschiebungen sind nicht ohne Zusammenarbeit mit den de-facto Machthabern möglich.

Beispiele für das Weiterbestehen der Bewegung für Menschenrechte und Frauenrechte sind in Afghanistan ungleich schwerer zu finden als im Iran, doch es gibt sie: etwa in Form von geheimen Bücherclubs oder Wohnzimmer-Universitäten, in denen Bildung und ein Bewusstsein für die eigenen Rechte vermittelt werden. Vereinzelt kam es aber auch zu kleinen Demonstrationen oder Videos in den Sozialen Medien, in denen sich Frauen über das Verbot zu Singen hinwegsetzten.

Zur Zeit gibt es zwei Eilpetitionen (Urgent Actions) von Amnesty International zu Afghanistan:

Darüber hinaus würden uns freuen, wenn Sie unsere englischsprachige Petition mitzeichnen, mit der wir die internationale Gemeinschaft auffordern, wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um die Taliban für Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft zu ziehen und alle Möglichkeiten zu nutzen, Druck auf die Taliban aufzubauen, um eine Verbesserung der Menschenrechtssituation zu erreichen: