Leonard Peltier endlich freilassen!

  • Soziales Zentrum, Josephstraße 2, 44791 Bochum
  • Seit 1977 in den USA inhaftiert: der indigene Aktivist Leonard Peltier (Archivaufnahme). © Jeffry Scott

    Am 16. März begleiten wir mit einem Infostand eine Veranstaltung der Roten Hilfe zu Leonard Peltier. Der indigene Aktivist befindet sich seit 46 Jahren in Haft, einige Jahre davon in Einzelhaft. Der mittlerweile 78-Jährige Peltier verbüßt zwei lebenslange Haftstrafen wegen Mordes, obwohl Zweifel daran bestehen, dass sein Gerichtsverfahren den internationalen Standards für faire Verfahren entsprochen hat und Peltier seine Unschuld stets beteuerte. Amnesty International fordert daher in einer Petition, Leonard Peltier endlich zu begnadigen.

    Referent Dr. Michael Koch gilt als profunder Kenner der Lebensumstände von Leonard Peltier, steht im mehr oder weniger regelmäßigen Austausch mit ihm, war selbst in verschiedenen Native-American-Reservations, und ist ehrenamtlicher Menschenrechtsaktivist im Zusammenhang indigener und politischer Gefangener in den USA, Canada und Latin-America. Er wird aus seinem Buch “Ein Leben für die Freiheit” über Leonard Peltier’s Geschichte lesen.

    Hintergrundinformation

    Leonard Peltier ist ein Angehöriger der indigenen Anishinabe-Lakota und war ein Mitglied des American Indian Movement (AIM), einer Initiative, die sich für die Rechte der nordamerikanischen indigenen Bevölkerung einsetzt. Am 26. Juni 1975 kam es im Pine-Ridge-Reservat in South Dakota zu Zusammenstößen zwischen dem FBI und Mitgliedern des AIM. Dabei wurden zwei FBI-Agenten erschossen. Leonard Peltier wurde 1977 für die Morde an ihnen zu zwei lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Er hat stets bestritten, die Agenten getötet zu haben.

    Es bestehen ernsthafte Zweifel daran, dass das Gerichtsverfahren, das 1977 mit der Verurteilung von Leonard Peltier endete, den internationalen Standards für faire Verfahren entsprach. So hielt die Staatsanwaltschaft beispielsweise Beweise zurück, die zugunsten von Leonard Peltier hätten ausgelegt werden können. Angesichts dieser Bedenken hat sich der ehemalige Bundesstaatsanwalt, der nach dem Prozess das Team der Anklagebehörde beaufsichtigte, inzwischen für eine Begnadigung ausgesprochen.

    Eine wichtige mutmaßliche Augenzeugin war Myrtle Poor Bear aus Pine Ridge, eine Angehörige der Lakota. Sie hatte zunächst ausgesagt, gesehen zu haben, wie Leonard Peltier die beiden Männer tötete. Auf Grundlage ihrer Zeugenaussage wurde er aus seinem Zufluchtsort in Kanada an die USA ausgeliefert. Myrtle Poor Bear hat diese Aussage jedoch später zurückgezogen. Sie war bei der Gerichtsverhandlung nicht als Zeugin der Staatsanwaltschaft geladen, durfte aber dennoch nicht für die Verteidigung aussagen. Das Gericht begründete die Ablehnung der Zeugin damit, dass ihre Aussage “im höchsten Maße nachteilig für die Regierung sein könnte”. Im Jahr 2000 gab Myrtle Poor Bear eine öffentliche Erklärung ab, in der sie sagte, dass ihre ursprüngliche Aussage das Ergebnis monatelanger Drohungen und Drangsalierung durch Angehörige des FBI gewesen sei.

    Leonard Peltier hat bereits mehr als 46 Jahre im Gefängnis verbracht und ihm wurde wiederholt die Freilassung auf Bewährung verweigert. Es besteht große Sorge um seine Gesundheit, die sich rapide verschlechtert. Zudem wird befürchtet, dass er sich erneut mit Covid-19 infizieren könnte. Sein Rechtsbeistand reichte im Juli 2021 bei Präsident Joe Biden ein neues Gnadengesuch ein.

    1980 erhielten die Rechtsbeistände von Leonard Peltier Einsicht in Dokumente mit ballistischem Beweismaterial, das für die Verteidigung möglicherweise hilfreich gewesen wäre, zum Zeitpunkt des Verfahrens jedoch unter Verschluss gehalten wurde. 1986 verwehrte ein US-Berufungsgericht (Court of Appeal for the Eighth Circuit) Leonard Peltier ein Wiederaufnahmeverfahren und sagte: “Wir erkennen an, dass in der Akte Beweise dafür vorliegen, dass das Verhalten einiger Angehöriger des FBI nicht korrekt war, aber wir lehnen es ab, ihnen noch weiteres Fehlverhalten zu unterstellen”.

    Leonard Peltier wird erst 2024 wieder für eine Anhörung für die Entlassung auf Bewährung infrage kommen. Eine Haftentlassung auf Bewährung wurde stets abgelehnt. Grund dafür sei, dass Leonard Peltier nicht die strafrechtliche Verantwortung für die Morde an den beiden FBI-Agenten übernommen habe. Und dies, obwohl der Ausschuss gegenüber Leonard Peltier sagte, dass “die Anklagevertretung eingeräumt hat, dass es keinen direkten Beweis für Ihre persönliche Beteiligung an der Tötung von zwei FBI-Agenten gibt”. James H. Reynolds, der US-Staatsanwalt, dessen Büro die Strafverfolgung und Berufung von Leonard Peltier leitete, hat sich seither schriftlich für eine Begnadigung ausgesprochen, da dies “angesichts aller vorliegenden Fakten im Sinne der Gerechtigkeit” sei.

    Leonard Peltier hat mehrere gesundheitliche Probleme wie Nierenerkrankungen, Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck, ein Herzleiden und eine degenerative Gelenkerkrankung. Zudem leidet er unter ständiger Kurzatmigkeit und Schwindelgefühlen. Seit einem Schlaganfall im Jahr 1986 ist er auf einem Auge praktisch blind. Im Januar 2016 wurde bei ihm ein großes Aneurysma an der Bauchaorta diagnostiziert, das jederzeit reißen und zum Tod führen könnte. Aufgrund eingeschränkter Mobilität bewegt sich Leonard Peltier derzeit mit einem Rollator fort. Im Jahr 2022 steckte er sich mit Covid-19 an und es besteht die Sorge, dass er sich im Gefängnis erneut mit dem Virus infizieren könnte.

    Leonard Peltier wurde im Januar 2009 von Präsident George W. Bush und im Januar 2017 von Präsident Barack Obama die Begnadigung verweigert. Sein Rechtsbeistand reichte im Juli 2021 bei Präsident Joe Biden ein neues Gnadengesuch ein. Über dieses Gesuch wurde noch nicht entschieden.

    Zuvor forderten mehrere Friedensnobelpreisträger, darunter der verstorbene Erzbischof Desmond Tutu, im Jahr 2015 die Freilassung von Leonard Peltier. Auch die indigene Gemeinschaft der Standing Rock Sioux und der National Congress of American Indians haben seine Freilassung gefordert. Da das Verfahren gegen Leonard Peltier zahlreiche Unregelmäßigkeiten aufwies und alle verfügbaren Rechtsmittel ausgeschöpft sind, sowie im Anbetracht der bereits verbüßten Zeit, seiner stetigen Unschuldsbeteuerung und der chronischen Gesundheitsprobleme unterstützt Amnesty International seit langem die Forderung nach seiner Begnadigung.