Mahnwache für Seenotrettung

  • Rathausplatz Bochum, Willy-Brandt-Platz 1, 44787 Bochum
  • Das Rettungsboot Lisa Fittko der Iuventa während einer Rettungsoperation am 7. Mai 2017. © Moritz Richter

    Italien eröffnet am 21.05.2022 die Vorverhandlung gegen vier Mitglieder der Iuventa Crew. Ihnen drohen 20 Jahre Gefängnis, weil sie mehr als 14.000 Menschen vor dem Ertrinken gerettet haben. Für Amnesty International steht jedoch fest: Leben retten kann kein Verbrechen sein. Deshalb werden wir an diesem Tag auf dem Willy-Brandt-Platz vor dem Bochumer Rathaus mit einer Mahnwache auf die Kriminalisierung von Seenotrettung aufmerksam machen. Zugleich möchten wir darauf hinweisen, dass die Stadt Bochum zur Zeit im Rahmen der Kampagne “Bochum rettet” Spenden aus der Zivilgesellschaft an die Seenotrettungsorganisation Sea-Eye bis zu einer Summe von 30.000 Euro verdoppelt. Mehr als 16.000 Euro sind bereits zusammengekommen.

    Nach fast fünf Jahren strafrechtlicher Ermittlungen beginnt in Trapani (Sizilien) das Vorverfahren gegen die Seenotretter_innen der Iuventa-Crew wegen angeblicher “Beihilfe zur irregulären Einreise”. Für Amnesty International sind sie Vorbilder für menschenrechtliches Engagement, das unterstützt und geschützt werden muss und nicht kriminalisiert. Daher erhielten sie 2020 den Amnesty Menschenrechtspreis. Bei der Preisverleihung kommentierte Kapitän Dariush treffend: “Wenn es ein Verbrechen ist, Menschenleben zu retten, dann bin ich gerne schuldig. Schuldig, solidarisch zu sein.”

    Rund 200 Crewmitglieder haben zwischen Juli 2016 und August 2017 auf dem Rettungsschiff “Iuventa” ehrenamtlich gearbeitet. In dieser Zeit haben sie unter Wahrung internationalen Rechts mehr als 14.000 Menschen aus Seenot gerettet – und wurden dafür von den italienischen Strafverfolgungsbehörden ins Visier genommen. Die Iuventa wurde verwanzt, Telefonate abgehört, verdeckte Ermittler eingesetzt. Die Kriminalisierung ist keine Ausnahme, sondern wird gezielt eingesetzt, um private Seenotrettung zu unterbinden, nachdem die staatliche Seenotrettung nahezu eingestellt wurde.

    Die EU leistete dieser Kriminalisierung Vorschub: 2002 erließ sie eine Richtlinie, die vor allem genutzt werden sollte, um gegen Schlepper vorzugehen. Diese wird inzwischen von mehreren europäischen Regierungen dazu missbraucht, Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten juristisch zu drangsalieren und einzuschüchtern. Amnesty fordert die EU-Kommission dazu auf, diese Richtlinie zu korrigieren: sie muss zukünftig humanitäre Hilfeleistung eindeutig anerkennen und schützen. Ob auf dem Mittelmeer, im Grenzgebiet zwischen Belarus und Polen, in der Wüste oder auf der Balkanroute: Leben retten ist kein Verbrechen. Demzufolge kann auch unsere Forderung an die italienische Staatsanwaltschaft nur lauten, das Verfahren gegen die Iuventa-Crew und andere Seenotrettungsorganisationen sofort einzustellen.

    Neben der solidarischen Unterstützung der Iuventa-Crew ist in Bochum zur Zeit auch eine besonders effektive finanzielle Unterstützung der Seenotrettung möglich, denn die Stadt Bochum hat unter dem Motto „Bochum rettet!“ eine Seenotrettungspatenschaft mit der Organisation Sea Eye abgeschlossen. Ziel ist es, Spenden für die Seenotrettung von Geflüchteten im Rahmen der Missionen der Sea Eye 4 im Mittelmeer zu sammeln. Gemäß dem Beschluss des Rates verdoppelt die Stadt Bochum jeden gesammelten Euro bis zu einem Spendenaufkommen von 30.000 Euro. Eine Spende ist sowohl online unter www.bochum-rettet.de als auch vor Ort bei unserer Mahnwache möglich.