Moria sofort evakuieren!

Moria-Demo in Bochum am 10.09.2020

In Reaktion auf die verheerenden Brände im Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos hatte die Seebrücke Bochum für den 10. September zu einer Demonstration aufgerufen. Trotz des kurzfristigen Aufrufs haben gestern 2200 Menschen in Bochum dafür demonstriert, die 13.000 Insassen des eigentlich nur für 2.800 Menschen ausgelegten Lagers umgehend zu evakuieren. Die Unterbringung in Moria war schon vor dem Brand völlig unzumutbar, doch seit dem Brand fehlt es den Menschen an allem: Trinkwasser, Nahrung, Kleidung, Toiletten, nicht einmal mehr Zelte sind ihnen geblieben.

Der Redebeitrag von Amnesty International Bochum im Wortlaut:

Seit Jahren leben Tausende geflüchtete Menschen in den überfüllten Lagern auf den griechischen Inseln. Das nun abgebrannte Lager Moria ist zum Sinnbild dieses Grauens geworden. Doch das Feuer war keine unvorhersehbare Katastrophe, sondern eine erwartbare Folge politischer Entscheidungen.

Amnesty International fordert seit Jahren – gemeinsam mit vielen anderen Organisationen – die griechische Regierung und besonders die Europäische Union dazu auf, die menschenunwürdigen Zustände in den Flüchtlingslagern an den Außengrenzen der EU zu beenden. Die Antwort darauf war stets der Verweis auf die Notwendigkeit einer gemeinsamen europäischen Lösung.

So richtig eine europäische Lösung in der Theorie ist, so klar ist jedoch seit Jahren, dass diese Lösung an der Blockadehaltung verschiedener EU-Staaten scheitert. Das Warten auf eine Lösung war schon vor dem Brand unzumutbar: wo Kinder sich selbst verletzten und Suizid begehen wollen; wo Frauen lieber mit Windeln schlafen als nachts eine Vergewaltigung auf dem Weg zur Toilette zu riskieren; wo angesichts einer weltweiten Pandemie die katastrophalen hygienischen Zustände nicht verbessert werden sondern mit weiterer Abschottung reagiert wird – da kann offensichtlich von einer menschenwürdigen Unterbringung nicht die Rede sein.

Jetzt, wo 13.000 Menschen nach den verheerenden Bränden auf der Straße sitzen und selbst das Zeltdach über dem Kopf verloren haben, gilt umso mehr, dass wir eine schnelle und pragmatische Lösung brauchen. Die Betroffenen müssen ohne weiteres Zögern in Sicherheit gebracht werden.

Amnesty International fordert daher die sofortige Evakuierung der geflüchteten Menschen, zunächst auf das griechische Festland und anschließend eine Umverteilung in andere europäische Staaten. Eine angemessene Unterbringung mit Zugang zu medizinischer Versorgung muss sichergestellt werden, ebenso der Zugang zu einem fairen Asylverfahren.

Moria ist das Symbol einer gescheiterten europäischen Asylpolitik. Die gute Nachricht ist, dass viele Städte und Bundesländer weiter sind als die Bundesregierung und die EU. Bochum ist eine von 174 Städten in Deutschland, die sich zum Sicheren Hafen erklärt hat und freiwillig zusätzlich Geflüchtete aufnehmen will. Und NRW hat angekündigt, 1000 Menschen aus Moria aufnehmen zu wollen. Das sind wichtige erste Schritte.

Um die Schande Europas zu beenden ist jedoch mehr nötig: die konsequente Orientierung europäischer Flüchtlingspolitik an den Menschenrechten. Wir stehen heute hier, um die Beendigung der akuten Notlage der Menschen aus Moria zu fordern. Doch solange die EU Grenzen schützt statt Menschen; solange Push-Backs auf den Fluchtrouten über das Mittelmeer und auf dem Landweg Alltag sind; solange der Zugang zum Asylverfahren nur über lebensgefährliche Fluchtwege erreichbar ist; solange die EU mit diktatorischen Regimen kooperiert; solange Geflüchtete Isolation und menschenunwürdige Unterkünfte statt eines fairen Asylverfahrens zu erwarten haben – solange werden wir wieder hier stehen, um den Friedensnobelpreisträger EU an seine völkerrechtlichen Verpflichtungen zu erinnern. Danke an die Seebrücke und alle, die sich mit uns für diese Ziele einsetzen!

Die weiteren Redebeiträge werden im Laufe des Tages auf www.bo-alternativ.de veröffentlicht.

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